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Ähnlichkeitsprinzip

Deutscher Homöopathie-Kongress

Similia Similibus Curentur – Analogien und andere Ähnlichkeiten

13. – 15. Mai 2010, Köthen (Anhalt)

 

„Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt“ – für die Homöopathie ist das Ähnlichkeitsprinzip grundlegendes Paradigma und Namensgeber (homoios pathos: ähnliches Leiden). Mit den vielfältigen Aspekten dieses Themas befassten sich renommierte Referentinnen und Referenten auf der 160. Jahrestagung des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ).

Das Therapieprinzip der konventionellen Pharmakotherapie basiert auf der Arzneiwirkung. Es soll ein bestimmter Zustand im Organismus erzwungen werden.

 

Das Problem dabei: Der menschliche Organismus ist ein komplexes autoregulatives System; er reagiert auf äußerliche Einwirkungen, seien diese physikalischer oder pharmakologischer Art. Auf einen Kältereiz reagiert er mit nachfolgender (und überschießender) Erwärmung. Auch innerhalb eines pathologischen Zustandes bildet sich jeweils ein neues dynamisches Gleichgewicht heraus, welches konstant zu halten, der Organismus bestrebt ist.


Für eine konventionelle Pharmakotherapie ist dies ein fortlaufendes Problem; wiederholte Gaben eines Abführmittels führen zu einer Obstipation, Schlafmittel zu einer Schlaflosigkeit. Hahnemann unterscheidet daher zwischen der Erstwirkung und der Nachwirkung eines Pharmakons.

The principle of the similitude, the basis of homeopathy, has correspondences in the clinical studies of secondary effects of many modern pharmaceutical agents through the observation of the rebound effects of these drugs. Through clinical pharmacology, I proposed a model on which to base the scientificism of the homeopathic model. We have studied the effects of the drugs in the human body using pharmacological compendia and recent scientific works, confirming the mechanism of the homeopathic medicines‘ action through the verification of the primary action of the drugs and the consequent secondary reaction of the organism in hundreds of pharmaceutical agents. Treatment exploiting the ‚rebound‘ effect (curative vital reaction) may also be observed. This work suggests a research methodology to scientifically base the therapeutic principle of similitude. “ (Teixeira MZ: Similitude in modern pharmacology. Br Homeopath J 1999 Jul; 88(3):112-20)

Für die Homöopathie ist das Ähnlichkeitsprinzip grundlegendes Paradigma und Namensgeber (homoios pathos – ähnliches Leiden). Die homöopathische Therapie arbeitet mit einer Verstärkung der jeweiligen Symptomatik. Ziel dieser Verstärkung ist es, eine Reaktion zu provozieren, die der Wirkung entgegengesetzt ist – ähnlich wie der Organismus Wärme produziert nach einem Guss mit kaltem Wasser.


Dass dieses Ähnlichkeitsprinzip auch in anderen Systemen wirksam ist bzw. auf andere Weise als durch Arzneitherapie angewandt werden kann, führt Hahnemann bereits im Organon an: „Wie schlau wußte der Krieger das Gewinsel des Spitzruthen-Läufers aus den mitleidigen Ohren der Umstehenden zu verdrängen? Durch die quikende, feine Pfeife mit der lärmenden Trommel gepaart! Und den in seinem Heere Furcht erregenden, ferne Donner der feindlichen Kanonen? Durch das tief erbebende Brummen der großen Trommel! Für beides würde weder die Austheilung eines glänzenden Montirungsstücks, noch irgend ein dem Regimente ertheilter Verweis geholfen haben. – So wird auch Trauer und Gram durch einen neuen, stärkeren, jemand Anderm begegneten Trauerfall, sei er auch nur erdichtet, im Gemüthe ausgelöscht. “ (Anmerkung zu § 26).

Auch neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass die Anwendbarkeit und Wirksamkeit des Ähnlichkeitsprinzips auch in anderen komplexen Systemen gegeben ist. Das Ähnlichkeitsprinzip beruht, über die Arzneianwendung hinaus, auf einer breiteren empirischen Grundlage. Auch in der Psychotherapie ist das gleiche Prinzip bekannt – als paradoxe Intervention.


Samuel Hahnemann hatte im Organon auch das Prinzip der Impfung als Beleg für die Wirkung des Ähnlichkeitsprinzips aufgeführt (Anmerkung zu § 26).

 

 

Und was sagt das Organon zum Ähnlichkeitsprinzip?

• Einleitung

„Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden (ὅμοιον πάϑοϛ) für sich erregen kann, als sie heilen soll!“

(S. 50)

 

„Eine mit kochender Brühe begossene Hand hält der erfahrne Koch dem Feuer in einiger Entfernung nahe und achtet den dadurch anfänglich vermehrten Schmerz nicht, da er aus Erfahrung weiß, daß er hiemit in kurzer Zeit, oft in wenigen Minuten, die verbrannte Stelle zur gesunden, schmerzlosen Haut wieder herstellen kann.“ (S. 54)

 

 

• Simile oder Contrarius

§ 22

„Indem aber an Krankheiten nichts aufzuweisen ist, was an ihnen hinwegzunehmen wäre, um sie in Gesundheit zu verwandeln, als der Inbegriff ihrer Zeichen und Symptome, und auch die Arzneien nichts Heilkräftiges aufweisen können, als ihre Neigung, Krankheits-Symptome bei Gesunden zu erzeugen und am Kranken hinwegzunehmen, so folgt auf der einen Seite, daß Arzneien nur dadurch zu Heilmitteln werden und Krankheiten zu vernichten im Stande sind, daß das Arzneimittel durch Erregung gewisser Zufälle und Symptome, das ist, durch Erzeugung eines gewissen künstlichen Krankheits-Zustandes die schon vorhandnen Symptome, nämlich den zu heilenden, natürlichen Krankheitszustand, aufhebt und vertilgt — auf der andern Seite hingegen folgt, daß für den Inbegriff der Symptome der zu heilenden Krankheit diejenige Arznei gesucht werden müsse, welche (je nachdem die Erfahrung zeigt, ob die Krankheitssymptome durch ähnliche oder durch entgegengesetzte Arznei- Symptome am leichtesten, gewissesten und dauerhaftesten aufzuheben und in Gesundheit zu verwandeln sind) ähnliche oder entgegengesetzte Symptome zu erzeugen, die meiste Neigung bewiesen hat.“


§ 25

„Nun lehrt aber das einzige und untrügliche Orakel der Heilkunst, die reine Erfahrung, in allen sorgfältigen Versuchen, daß wirklich diejenige Arznei, 72 das homöopathische naturgesetz welche in ihrer Einwirkung auf gesunde menschliche Körper die meisten Symptome in Aehnlichkeit erzeugen zu können bewiesen hat, welche an dem zu heilenden Krankheitsfalle zu finden sind, in gehörig potenzirten und verkleinerten Gaben auch die Gesammtheit der Symptome dieses Krankheitszustandes, das ist (s. §.6–16), die ganze gegenwärtige Krankheit schnell, gründlich und dauerhaft aufhebe und in Gesundheit verwandle, und daß alle Arzneien die ihnen an ähnlichen Symptomen möglichst nahe kommenden Krankheiten, ohne Ausnahme heilen und keine derselben ungeheilt lassen.“

 

 Erstwirkung und Nachwirkung

§ 63

„Jede auf das Leben einwirkende Potenz, jede Arznei, stimmt die Lebenskraft mehr oder weniger um, und erregt eine gewisse Befindens-Veränderung im Menschen auf längere oder kürzere Zeit. Man benennt sie mit dem Namen: Erstwirkung. Sie gehört, obgleich ein Product aus Arznei- und Lebenskraft, doch mehr der einwirkenden Potenz an. Dieser Einwirkung bestrebt sich unsere
Lebenskraft ihre Energie entgegen zu setzen. Diese Rückwirkung gehört unserer Lebens-Erhaltungs-Kraft an — und ist eine automatische Thätigkeit derselben, Nachwirkung oder Gegenwirkung genannt.“


§ 64

„Bei der Erstwirkung der künstlichen Krankheits-Potenzen (Arzneien) auf unsern gesunden Körper, scheint sich (wie man aus folgenden Beispielen ersieht) diese unsere Lebenskraft bloß empfänglich (receptiv, gleichsam leidend) zu verhalten und so, wie gezwungen, die Eindrücke der von außen einwirkenden, künstlichen Potenz in sich geschehen und dadurch ihr Befinden umändern zu lassen, dann aber sich gleichsam wieder zu ermannen, und dieser in sich aufgenommenen Einwirkung (Erstwirkung) a) den gerade entgegengesetzten Befindens-Zustand (Gegenwirkung, Nachwirkung), wo es einen solchen giebt, in gleichem Grade hervorzubringen als die Einwirkung (Erstwirkung) der künstlich krank machenden, oder arzneilichen Potenz auf sie gewesen war und zwar nach dem Maße ihrer eignen Energie — oder, b) wo es einen der Erstwirkung gerade entgegengesetzten Zustand in der Natur nicht giebt, scheint sie sich zu bestreben, ihr Uebergewicht geltend zu machen durch Auslöschen der von außen (durch die Arznei) in ihr bewirkten Veränderung, an deren Stelle sie ihre Norm wieder einsetzt (Nachwirkung, Heilwirkung).“

 

§ 65

„Beispiele von a) liegen jedermann vor Augen. Eine in heißem Wasser gebadete Hand ist zwar anfänglich viel wärmer als die andere, ungebadete Hand (Erstwirkung), aber von dem heißen Wasser entfernt und gänzlich wieder abgetrocknet, wird sie nach einiger Zeit kalt und bald viel kälter, als die andere (Nachwirkung). Den von heftiger Leibesbewegung Erhitzten (Erstwirkung) befällt hinterher Frost und Schauder (Nachwirkung). Dem gestern durch viel Wein Erhitzten (Erstwirkung) ist heute jedes Lüftchen zu kalt (Gegenwirkung des Organisms, Nachwirkung). Ein in das kälteste Wasser lange getauchter Arm ist zwar anfänglich weit blässer und kälter (Erstwirkung) als der andere, aber vom kalten Wasser entfernt und abgetrocknet, wird er nachgehends nicht nur wärmer, als der andere, sondern sogar heiß, roth und entzündet (Nachwirkung, Gegenwirkung der Lebenskraft). Auf starken Kaffee erfolgt Uebermunterkeit (Erstwirkung), aber hintennach bleibt lange Trägheit und Schläfrigkeit zurück (Gegenwirkung, Nachwirkung), wenn diese nicht immer wieder durch neues Kaffeetrinken (palliativ, auf kurze Zeit) hinweggenommen wird. Auf von Mohnsaft erzeugten, tiefen Betäubungs-Schlaf (Erstwirkung) wird die nachfolgende Nacht desto schlafloser (Gegenwirkung, Nachwirkung). Nach der durch Mohnsaft erzeugten Leibesverstopfung (Erstwirkung) erfolgt Durchfälligkeit (Nachwirkung) und nach dem mit Darm erregenden Arzneien bewirkten Purgiren (Erstwirkung) erfolgt mehrtägige Leibverstopfung und Hartleibigkeit (Nachwirkung). Und so wird überall auf jede Erstwirkung einer, das Befinden des gesunden Körpers stark umändernden Potenz, in großer Gabe, stets das gerade Gegentheil (wo, wie gesagt, es wirklich ein Solches giebt) durch unsere Lebenskraft in der Nachwirkung zu Wege gebracht.“